Montag, 5. Juni 2017
Valentinstag
Steffi wusste gleich, dass etwas nicht stimmt. Lena war anders als sonst, es war kaum wahrzunehmen, eigentlich benahm sie sich wie sonst auch aber sie war irgendwie reserviert so weit weg. Steffi hatte diese Veränderung schon nach wenigen Augenblicken wahrgenommen. Völlig untypisch war diese Ungeduld die Lena ausstrahlte. Ein kurzer Kuss auf die Wange und schon wurde Steffi zart aber doch bestimmt durch die Tür ins Cafe geschoben.
Normaler Weise hatten sie sich Zuhause bei Lena immer einen schönen Tag gemacht, hatten zusammen gekocht, hatten eine besondere Flasche Wein geöffnet z.B. den Grand Cru Classé den sie selbst zusammen in Saint-Émilion gekauft hatten, haben auf dem Sofa zusammen gekuschelt und sich einem schönen Film angesehen. Doch diesmal wollte sich Lena mit ihr am Cafe treffen. Sie setzen sich an den kleinen Tisch in der Mitte. Steffi bestellte einen Chai Latte. Lena einen Minztee aus frischer Minze und rührte lieblos darin herum.

"Ich habe jemanden kennen gelernt" sagte Lena, ganz ruhig, so beiläufig als wenn sie über das Wetter reden würde. Steffi traf es wie ein Schlag, Lena macht Schluss!
Lena sprach weiter aber Steffi hörte nichts mehr. Da war nur noch Leere. Ihre Gedanken überschlugen sich, dann schweiften Sie ab. Ihre Blicke irrten zweifelnd und nach Erklärung suchend in dem kleinen Cafe umher und trafen auf den runden Tisch in der Ecke.
Das Pärchen welches dort saß schien so gar nicht zusammen zu passen, er im Hemd in einem hellen violett, dunkler Anzug, langer moderner Mantel, beides Maßgeschneidert das sah man sofort und schicke Schuhe. Im ersten Moment würde man Bank oder Versicherung denken. Doch irgendetwas passte nicht zu diesem Klischee, es war die Art wie er sich gab dieses Selbstverständnis vor Selbstbewusstsein nur so strotzend und dabei total zurückhaltend, völlig unaufdringlich. Sie flippig sportlich eine aufgeschlossene offene Art die jeden sofort einnahm und keinen Raum für etwas anderes als Sympathie offen ließ. Die beiden unterhielten sich angeregt. Jeder schenkte seinem Gegenüber die ungeteilte Aufmerksamkeit.
Steffi fragte sich warum sie sich darüber so viel Gedanken mache sonst ist das nicht ihre Art. Ihr war durchaus bewusst warum, sie musste weg weit weg mit ihren Gedanken, am liebsten wäre sie einfach aufgestanden und weggelaufen aber dazu fehlte ihr die Entschlossenheit. So ließ sie wenigstens ihre Gedanken weglaufen, so gut es ging und so weit weg wie irgend möglich.

„Ich habe mich verliebt“ sagte Lena. auf einmal war Steffi wieder im hier und jetzt. Dieses Unverständnis, Steffi konnte und wollte es nicht begreifen, am Valentinstag, wer macht so was? Steffis Blick fiel auf den Typen am Tresen. Er war ihr schon des Öfteren aufgefallen wenn sie mit Lena hier war aber sie hatte ihm bisher keinerlei Beachtung geschenkt. Er hatte immer ein Buch dabei und las. Er sah runtergekommen aus und schien seinem Äußeren keinerlei Beachtung zu schenken. Die Jacke war speckig und die Hose aufgetragen zu allem Überfluss trug er noch einen zerschlissenen Norwegerpulli. Kaffee schwarz und ein Glass Wasser mehr trank er nie das wusste sie noch. Irgendjemand hatte mal erzählt er wäre studierter Philosoph und hätte schon einige Bücher geschrieben. Steffi projizierte ihre Leere auf ihn. Sie dachte genau so muss er sich immer fühlen, leer, verlassen, allein.


Sie hätte nicht viel Zeit aber sie wollte es persönlich machen, bevor sie nach Hause fährt um mit IHR den Valentinstag zu verbringen sagte Lena. Nicht diese Formulierung aber das war der Inhalt der Worte die über Ihre Lippen kamen. Diese vollen zartrosa leuchtenden Lippen. Die lange Haarsträne hing Lena quer durch das Gesicht und berührte leicht ihrem Mundwinkel. Steffi war schon fast wieder woanders sie hörte nur noch Wortfetzen, Ausflug, Schwerin, Ludwigslust. Sie blinzelte sich die Tränen weg. Steffi zitterte, vermutlich von den anderen Gästen im Cafe kaum bemerkbar, am ganzen Körper ihr schluchzen unterdrückend.

Steffi trug den schwarzen Cashmere-Pullover den Lena ihr vor zwei Jahren im Spätsommer eines Abends geschenkt hatte. Einfach so, aus dem nichts, ohne besonderen Grund oder Anlass. Steffi wusste es noch als wäre es Gestern gewesen. Sie waren auf Lenas Dachterrasse, Lena hatte ihr die Augen verbunden ihr das T-Shirt über den Kopf gezogen und den BH abgenommen. Steffi stand damals völlig neben sich, schwankte zwischen Verwirrung und Erregung. Dann hatte Lena ihr den Pulli angezogen, dieses herrlich weiche anschmiegsame Gefühl auf der Haut war kaum zu beschreiben. Seither trug sie nichts drunter wenn sie diesen Pulli trug.

„Du sagst ja gar nichts“ sagte Lena "ist alles in Ordnung?". Steffi wollte am liebsten laut los schreien, so laut es ging, einfach dieses Gefühl der völligen Leere weg schreien. Ob alles in Ordnung wäre, was denkt sie denn? Ein leises "Warum?" mehr brachte Steffi nicht heraus. In ihrem Blick das pure Unverständnis gepaart mit einer tiefen Enttäuschung und dieser unsagbaren Leere.

Lena begann eine lange Erklärung, redete eine ganze Weile und streichelte nebenbei zart Steffis Oberarm. Steffi war schon wieder weg. Ihre Gedanken waren in der Nacht nachdem sie den Cashmere-Pullover von Lena bekam. Diese unvergessliche Nacht, Lena zeigte ihr was es bedeutet Grenzen zu überschreiten, sich ganz der Lust hinzugeben und sich im Gefühlstaumel treiben zu lassen. Danach war Steffi nicht mehr die Selbe sie war mehr so viel mehr. Lena war ihr Lebenssinn. Nie wäre Steffi auch nur auf den Hauch eines Gedanken gekommen es könnte irgendwann vorbei sein.

„Ich muss los.“ sagte Lena küsste Steffi auf die Wange ging zum Tresen, zahlte und verließ das Cafe.